Den interessanten Abend gestalteten die beiden Landwirte Stefan Pfeifer und Markus Hochhaus, die Zweite HGV-Vorsitzende Agnes Wintrich, Schriftführer und Archivar Kurt Merkator sowie der HGV-Vorsitzende Benno Kraft (von links). Foto: Oliver Gehrig

FINTHEN – Der Heimat- und Geschichtsverein (HGV) Finthen veranstaltete jetzt sein alljährliches Sommerevent. Diesmal mit dem Thema „Landwirtschaft in Finthen – gestern und heute“. Ein Thema, das großes Interesse hervorrief, so war der Veranstaltungsraum im Atrium Hotel komplett besetzt.

„Der Kriminaltango“, interpretiert von der Sängervereinigung unter der Leitung von Fritz Brändle, bildete den musikalischen Auftakt und der Erste Vorsitzende Benno Kraft bedankte sich anschließend in seiner Begrüßungsansprache herzlich bei den Sängerinnen und Sängern für ihre Verbundenheit zum Verein und die großartige Unterstützung durch ihre Erste Vorsitzende Monika Schnell.

Und schon machte sich ein leichte Gewusel bemerkbar, kamen doch acht entzückende kleine „Bäuerinnen und Bauern“ zur Tür herein – die Vorschulkinder aus der Musikschule Klimperkiste von Michael Geyer. So wurden die bekannten Volkslieder „Im Märzen der Bauer“ und „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“ nicht nur von den Kindern gesungen, sondern auch pantomimisch dargestellt. Es war überwältigend zu sehen, wie eifrig die Kinder bei der Sache waren, motiviert durch ihre Lehrerin Alexandra Gießler, die mit ihrer ausdrucksstarken Stimme den „Ton vorgab“. Die fruchtigen Danke-Tüten des Bauernvereins hatten sich die Kleinen redlich verdient.

Für den gelungenen musikalischen Rahmen sorgte Sänger und Pianist Michael Geyer. Foto: Oliver Gehrig

Dann wurde es ernst, wie die Zweite Vorsitzende und Moderatorin des Abends, Agnes Wintrich, erklärte. Bevor über Landwirtschaft in Finthen gesprochen werden kann, musste erst geklärt werden, wie der Landbesitz der Bauern seinen Anfang nahm. Und da musste zurückgeblickt werden bis ins Jahr 1092, zur ersten urkundlichen Erwähnung von „Fundene“. Zu diesem Zeitpunkt schenkte der Mainzer Erzbischof seinem Domherrn verschiedene Besitzungen in Finthen. Die Liegenschaften gehörten also der Kirche, nur wenige Bauern hatten eigene Ländereien. Wie sich die Situation der Bauern bis in die 1950er-Jahre änderte, erläuterte Agnes Wintrich anhand einer Power-Point-Präsentation. Etwa 900 Jahre mussten überbrückt werden und das bedeutete, im „Schweinsgalopp durch die Geschichte“ – so ihre Worte. Das HGV-Ehrenmitglied Prof. Dr. med. Benno König rundete ihren Vortrag mit einer Anekdote im Finther Dialekt ab, bei der die Darstellung der sprachlichen Beschränkung auf das Wesentliche bei einigen Gästen ein leichtes Schmunzeln hervorrief.

Die Überleitung zur Büffet-Eröffnung schaffte Sänger und Pianist Michael Geyer mühelos mit seinem „Lewwerworscht“-Song und spätestens beim „Wein von Mykonos“ stellte sich der Appetit ein. Und die Gäste wurden nicht enttäuscht. Das Buffet ließ keine Wünsche offen. In der bekannt exzellenten Qualität des Atrium Hotels konnte man neben einer großen Salatauswahl zu einem Fisch-, Fleisch- und einem Vegan-Gericht greifen.

Das Highlight des Abends war dann der zweite Infoteil mit dem Vortrag der beiden Vertreter der Landwirtschaft, Markus Hochhaus und Stefan Pfeifer. Schon ihr Auftritt war bühnenreif – in dem „Wammes“ der Finther Bauern riefen sie sofort nostalgische Gefühle hervor. Erinnerte man sich doch an seine Jugend in Finthen, wo der „Wammes“ noch zur Standard-Kleidung gehörte. Dann aber kam der Übergang zur absoluten Moderne: In kleinen Videoclips wurden die vielfältigen Arbeiten im landwirtschaftlichen Bereich dargestellt: Die Bedeutung des Pflügens, der Spargelanbau oder die Züchtung von Kirschbäumen – zu allen Bereichen hatte Stefan Pfeifer einen sehr anschaulichen Film vorbereitet, der durchaus mit den Dokumentationen des Fernsehens mithalten konnte.

Die Landwirtschaft wie etwa der Obstanbau spielt in Finthen eine große Rolle. Archivfoto: Silke Jungbluth-Sepp

Von den Schwierigkeiten, mit denen die heutigen Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter zu kämpfen haben, berichtete Markus Hochhaus am eigenen Beispiel. Zur Zeit seines Großvaters war der Bauernhof ein reiner Familienbetrieb, bei dem die ganze Familie mithalf. Heute dagegen geht es ohne die zahlreichen Erntehelfer nicht mehr. Außerdem nehmen die administrativen Aufgaben viel Zeit in Anspruch, die Vorgabe der EU-Richtlinien müssen beachtet werden, ständige Weiterbildung ist ein Muss. Das Berufsbild und die Ausbildung des Bauern haben sich also stark  verändert – ohne Studium ist ein landwirtschaftlicher Betrieb nicht mehr zu managen. Neben dem agronomischen Fachwissen sind betriebswirtschaftliches und technisches Verständnis unabdingbar. So hat sein Sohn Björn ein Studium zum Diplom-Ingenieur erfolgreich absolviert und leitet gemeinsam mit seinem Vater den Familienbetrieb. Ähnliches kann Stefan Pfeifer berichten. Seine Tochter Theresa ist ebenfalls Diplom-Ingenieurin und managt gemeinsam mit ihrem Mann Christoph den Betrieb.

Die Maxime beider Obsthöfe – wie übrigens auch aller anderen Höfe in Finthen – ist der respektvolle Umgang mit der Natur; umweltschonender Anbau ist seit Jahrzehnten selbstverständlich. Um größere Ernteausfälle zu vermeiden, müssen natürlich Pflanzenschutzmaßnahmen ergriffen werden. Aber im Gegensatz zu früher, als man vielfach noch in der Erprobungsphase war, werden diese Mittel heute sehr fein dosiert eingesetzt, übrigens auch aus Kostengründen.

Der technische Fortschritt und die intensive Mechanisierung der Landwirtschaft führten dazu, dass der einzelne Landwirt wesentlich mehr Boden bewirtschaften kann. Und so brachte Markus Hochhaus eine Zahl ins Spiel, die großes Erstaunen hervorrief: Während ein Landwirt im Jahr 1900 im Durchschnitt vier Personen ernährte, waren es 1950 zehn und heute sind es 145 Personen, eine enorme Produktionssteigerung. Auch als Stefan Pfeifer nach der Zusammensetzung des Brotpreises fragte, mussten die Gäste passen: Während in früheren Jahren der Brotpreis sich zum größten Teil aus dem Getreidepreis ergab, sind es heute im Wesentlichen die Energie- und Vertriebskosten. Der Getreidepreis selbst macht nur noch 3,6 Prozent aus.

Zum Schluss kam ein kleiner Clip zum Einsatz, in dem die Landwirte mit Manpower und ihren Traktoren das Finther Gemeindeleben unterstützen: wie beim Finther Zug der Lebensfreude, bei der Gestaltung des Wegkreuz-Platzes, bei der Feuerwehr und vielen anderen Gelegenheiten.

Markus Hochhaus und Stefan Pfeifer sind Landwirte aus Leidenschaft und voller Herzblut dabei. Sie sind stolz darauf, dass ihre Kinder auch unter den völlig veränderten Bedingungen die Familienbetriebe weiterführen. „Und wir Finther Bürgerinnen und Bürger sind stolz darauf, solche Landwirte zu haben“, ergänzte Agnes Wintrich und bedankte sich herzlich bei allen Mitwirkenden und natürlich bei den Gästen für ihr Kommen. Im Anschluss konnte man sich in aller Ruhe den Fotos widmen, die Kurt Merkator, Schriftführer und Archivar des HGV, in einer Bilderschau zusammengestellt hatte.

 

Autorin: Agnes Wintrich

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