Der junge Wein gärt noch langsam in den Fässern und blubbert leise vor sich hin. Draußen im Wingert steht Rebenschneiden auf dem Programm. Die Finger werden blau und die Oberschenkel brennen vom ständigen auf und ab und den unvermeidlichen Kniebeugen. Bereits beim ersten Arbeitsgang im neuen Jahr wird die erste Grundlage für die Qualität der Ernte gelegt. Je nach Rebstock bleibt eine Rute mit rund zehn „Augen“ stehen, aus denen sich zehn Trauben entwickeln.
Der Winzer denkt voraus, plant und handelt mit der Natur, nicht gegen sie. Er lebt von und mit ihr. Er schätzt das bevorstehende Jahr ein, auf Basis der Erfahrungen der letzten Jahre und des Wissens, das von den Altvorderen weitergegeben wird. Er überlegt und entscheidet mit Bedacht. Wie kann ich eine gute Ernte mit guter Qualität erzielen. Wie kann ich die Fruchtbarkeit der Mutter Natur erhalten? Was kann ich ihr abverlangen? Diese Fragestellungen und Sichtweisen, die für jeden Winzer und Landwirt selbstverständlich, ja existenziell notwendig sind, ist vielen abhanden gekommen, vor allem denen, die jegliche Bodenhaftung verloren haben und die Natur zwingen, ja bezwingen wollen.
Das birgt Risiken. Die gilt es zu minimieren, denn Überraschungen durch Wetterkapriolen kommen fast jährlich mit neuen Herausforderungen auf die Winzer zu. Natürlich hilft hierbei auch die Technik. Aber zunächst muss jeder seine Hausaufgaben machen und die möglichst sorgfältig.
Hier hat das Qualitätsbewusstsein in Rheinhessen eine vor 20 Jahren noch nicht vorstellbare Entwicklung genommen, deren Dynamik selbst Insider überrascht hat. Und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Wurde in den 70er und 80er Jahren noch auf Menge geschnitten, um die pro Hektar maximal erlaubte Erntemenge zu erreichen, geht es heute um eine Ausgewogenheit zwischen Qualität und Erntemenge. Die deutlich gestiegene Qualität soll die höheren Erwartungen der Weinfreunde erfüllen, und teilweise übertreffen und gleichzeitig einen betriebswirtschaftlich sinnvollen Ertrag erwirtschaften.
Im Ergebnis hat dies von Mainz bis Alzey, von Worms bis Bingen und von Nierstein bis Siefersheim und darüber hinaus, so viele ausgezeichnete Weine hervorgebracht. In jeder Weinbaugemeinde Rheinhessens sind diese „Hidden Champions“ zu finden, Winzer und deren Weine. Ich kann Sie als Weinfreund nur dazu ermuntern. Ich verspreche Ihnen, Sie werden Ihre helle Freude an dieser Entdeckungsreise haben und viel Lebensfreude erleben. Sie brauchen nicht auf das nächste Weinfest warten, aber auch das kommt ganz bestimmt.
Zum Wohl!
