Europa erlebt stürmische Zeiten. Man hat fast den Eindruck, dass eine Krise die nächste jagt: Finanzkrise, Ukraine-Krise, Flüchtlingskrise. Nationalstaatliches Denken und Fremdenfeindlichkeit nehmen zu. Großbritannien will aus der EU austreten. In Frankreich streben Nationalisten an die Macht und auch in Deutschland sind zunehmend rechtspopulistische Parteien auf Stimmenfang. Unsere gemeinsame europäische Wertebasis ist ins Wanken geraten. Die EU steht vor einer Zerreißprobe. Diese Entwicklung betrachte ich mit großer Sorge!
60 Jahre nach Unterzeichnung der Römischen Verträge läuft sicherlich nicht alles rund in Europa. Die EU ist nicht perfekt, aber sie ist das beste Instrument, das wir haben, um den vor uns liegenden Herausforderungen zu begegnen. Für mich ist die Europäische Union ein Erfolgskapitel ohnegleichen in der Geschichte dieses Kontinents. Europa bedeutet für mich Meinungsfreiheit, Freizügigkeit, vor allem aber Sicherheit und Frieden. Wir müssen deshalb für den Erhalt dieses Europas, für ein besseres Miteinander kämpfen.
Mit großem Interesse und großer Freude verfolge ich deshalb die Bürgerbewegung „Pulse of Europe“. In mehr als 100 europäischen Städten und 13 europäischen Ländern gehen jeden Sonntag tausende Menschen auf die Straße, um für die Grundwerte eines vereinigten Europas zu demonstrieren: ein Europa, in dem die Achtung der Menschwürde, die Rechtsstaatlichkeit, freiheitliches Denken und Handeln, Toleranz und Respekt selbstverständliche Grundlage des Gemeinwesens sind. Diese pro europäische Bewegung von Lissabon über Berlin bis Stockholm wird Woche für Woche lauter. Auch in Mainz gehen seit einigen Tagen Bürgerinnen und Bürger auf die Straße und bekunden sonntags ihre Solidarität mit Europa.
„Pulse of Europe“ ist eine überparteiliche Bewegung, die sich aus der Bürgerschaft entwickelt hat. Es sind Menschen aller Altersgruppen und Bevölkerungsschichten, die uneigennützig auf die Straße gehen, um sich für etwas einzusetzen und nicht nur gegen etwas zu demonstrieren. Gerade in dieser Zeit, in der über politische Lethargie berichtet wird, setzt diese Aktion ein deutliches Zeichen. Die Bürgerinnen und Bürger werden politisch aktiv, schwenken engagiert die blaue Fahne mit den zwölf goldenen, fünfzackigen Sternen und setzen sich für die Interessen aller Europäer ein. Dieses freiwillige Engagement für ein vereintes Europa, für ein besseres Miteinander der Nationen zeigt, dass es gut um unser gesellschaftliches Miteinander steht.
Ich bin mir sicher, das bürgerschaftliche Engagement ist die wirksamste Gegenstrategie auf politische Säbelrassler und National-Egozentriker. Es sind all die Menschen, die sich für unsere Europäische Gemeinschaft und unsere Werte engagieren, die bei der Integration helfen, die gegen Rassismus und Ausgrenzung Stellung beziehen und die tagtäglich deutlich machen, was ein lebendiges Europa mit bunten, weltoffenen und gastfreundlichen Städten ausmacht.
Ich bin froh, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Mainz zu sein. Was unsere Stadt auszeichnet, ist gerade ihre Weltoffenheit, die besondere Lebensfreude, die Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Mainzerinnen und Mainzer und ihr tiefgehendes Verständnis für ein stabiles und geeintes Europa.
Ihr
Michael Ebling