
LERCHENBERG – Es ist ein ganz normaler Schultag an der Grundschule auf dem Lerchenberg. Für Angelo aber, den Viertklässler, steht dennoch etwas Besonderes an. Er wird gemeinsam mit Julia Jung von „Mentor – Die Leselernhelfer Mainz e.V.“ Zeitung lesen. Eine Zeitung für Kinder, die den Mentoren vom Bundesverband zur Verfügung gestellt wird. Angelo wirkt etwas verunsichert, es sind noch mehr Leute gekommen als sonst, die Presse ist da. Doch als Julia Jung beginnt, sich mit ihm zu beschäftigen, verändert sich der Blick und pures Interesse und Eifer strahlen aus seinen Augen. „Und, wie war denn Fastnacht bei dir?“, leitet Jung das Gespräch ein. Dann werden Lesen und Textverständnis geübt.
Lese-, Sprach- und Schreibkompetenz sind die Schlüsselqualifikationen für eine erfolgreiche Bildungskarriere und gesellschaftliche Integration und Teilhabe. Auch mehr als zehn Jahre nach dem PISA-Schock 2001 dokumentieren Bildungsstudien jedoch immer noch deutliche Defizite deutscher Kinder und Jugendlicher in diesen Bereichen. Vereinsvorsitzende Sonja Stenger sagt: „Wir erteilen keinen Nachhilfeunterricht und wir ersetzen keine Lehrer, wir wollen Interesse am Lesen wecken.“ Denn daran hapert es oft in den Familien, das Buch gehört nicht zum Alltag. Mit dem Interesse wächst auch das Können, die Rückmeldungen der Eltern und Lehrer seien durchweg positiv. Auch kommunikative Fähigkeiten werden durch das Gespräch geübt und das Selbstwertgefühl wird gestärkt. Am Ende darf auch gespielt werden. 40 Minuten dauert so eine Stunde. Alle zwei bis drei Monate treffen sich die Mentoren zu Gespräch und Austausch. Sie wissen, die Kinder genießen diese Stunde einmal in der Woche, es ist jemand nur für sie da und fragt, was interessiert dich? „Die anderen Schüler beneiden die Kinder“, weiß die Vorsitzende, „und fragen: Wann kommt denn ein Mentor zu mir?“
2007 gab eine Fernsehsendung über Mentor Deutschland den Ausschlag für Sonja Stenger. „Damals war ich noch Studentin und ich wollte mich ehrenamtlich engagieren.“ Nach einiger Zeit der Arbeit als Initiative gründete Stenger den Mainzer Verein, einen von 55 bis 60 mittlerweile in Deutschland. „Lesen ist die Schlüsselkompetenz, um Bildung erfahren zu können“, so Stenger weiter. Und: „Wir vertreten das Eins-zu-eins-Prinzip.“ Ein Schüler, ein Mentor. Und dieser Mentor bleibt für mindestens ein halbes Jahr an das Kind gebunden. Das ist die einzige Verpflichtung, die die Mentoren eingehen müssen. Den Lesestoff erarbeiten sie selbst mit dem jeweiligen Kind nach Interesse.
Welche Kinder an dem Projekt teilhaben, entscheiden die Lehrer. 80 aktive Lesementoren gibt es allein in Mainz, die 110 Kinder fördern. Doch könnten es gerne noch mehr sein, befindet Sonja Stenger, selbst dreifach Mutter und begeisterte Vorleserin. Und sie hat erfahren: „Wenn erst das Interesse geweckt ist, passiert ganz viel.“
Wer gerne als ehrenamtlicher Mentor mitarbeiten möchte, kann sich auf der Website www.mentormainz.de. Mentor/in kann werden, wer Zeit und Motivation aufbringt, Schülerinnen und Schüler bei der Bewältigung von Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache zu unterstützen. Der Zeitaufwand ist gering: einmal wöchentlich treffen sich ein Mentor und ein Lesekind für eine Stunde in dessen Schule.